Trotz Sehbehinderung konnte Daniela Moser Berufslehre und Weiterbildung an gewöhnlichen Institutionen absolvieren. Die SBV-Mitarbeiterin erzählt, was dies ermöglicht hat.
Daniela Moser wartet schon auf dem unterirdischen Perron am Hauptbahnhof Zürich. Die Mitarbeiterin des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbands SBV ist von Bern aus auf der Durchreise nach Chur, wo sie bei der Sektion Graubünden eine Präsentation hält. „Der Job ist sehr spannend und abwechslungsreich“, sagt die stark sehbehinderte Frau. Sie erbringe die gleiche Leistung wie ihre sehenden Teamkollegen. „Es geht mir sehr gut. Ich habe eine 80-Prozent-Anstellung und alles, was ich zum Leben brauche.“
Dass eine fast vollständig blinde Person ihren Lebensunterhalt im freien Arbeitsmarkt verdienen kann, ist auch heutzutage noch nicht selbstverständlich. „Viele haben sehr Mühe, eine Anstellung zu finden“, weiss Moser. Teilweise liege dies auch an den Schwierigkeiten, die blinde und sehbehinderte Menschen bei den Aus- und Weiterbildungen begegnen. „Je mehr Qualifikationen man vorweisen kann, desto besser steht man da.“
Verständnisvolle Lehrpersonen
Die 28-Jährige hat die Grundschule in der Blindenschule Zollikofen absolviert. Weil da zusätzlich zum allgemeinen Stoff auch noch blindenspezifische Kenntnisse wie etwa die Braille-Schrift oder Orientierungs- und Mobilitätstrainings auf dem Programm standen, dauerte die Schulzeit zehn statt neun Jahre. Darauf machte Moser eine kaufmännische Lehre beim SBV und besuchte die Berufsschule in Bern. Zuvor traf sie sich mit den Lehrpersonen, um ihre Bedürfnisse zu besprechen. „Sie sind mir extrem entgegengekommen“, erzählt Moser. Zum Beispiel bemühten sie sich, ihr die Unterlangen früh genug zur Verfügung zu stellen, damit sie sie in ein für sie brauchbares Format überführen lassen konnte. Oder sie erklärten Zeichnungen und Darstellungen auf der Wandtafel in Worten. Auch die Mitschülerinnen und –schüler waren hilfsbereit. Sie unterstützten sie etwa beim Zurechtfinden im Gebäude. Nur einige hätten sie um ihren Nachteilsausgleich beneidet, erinnert sich Moser. „Sie verstanden nicht, wieso ich bei Prüfungen mehr Zeit zur Verfügung hatte.“
Nach dem Lehrabschluss arbeitet Daniela Moser weiterhin beim SBV. Um Lernende betreuen zu können, entschied sie sich 2012 zum fünftägigen Grundkurs für Berufsbildner am Bildungszentrum BFF in Bern. Auch hier sei sie auf viel Goodwill gestossen, erzählt sie. Etwas schwieriger sei es hingegen in der Berufsmaturitätsschule geworden. Einige Dozierende hätten nicht wirklich verstanden, was sie zum Lernen braucht. Zum Beispiel korrigierten sie ihre Arbeitsblätter mit roter Farbe, was für sie nicht lesbar ist. Oder sie kündigten an, sie würden etwas lauter sprechen, damit Frau Moser es auch hören könne.
Leitfaden hilft beim Dialog mit Bildungsanbietern
Daniela Moser hat gelernt, ihre Bedürfnisse offen anzusprechen. Dabei könne es aber hilfreich sein, etwas Schriftliches in der Hand zu haben. Die von Travail Suisse Formation ausgearbeitete Kriterienliste für die Erleichterung von Weiterbildungen findet sie deshalb eine gute Sache. „Er ist auch nützlich, wenn wir vom SBV auf Institutionen zugehen.“ Oft seien es nämlich kleine Dinge, an denen blinde und sehbehinderte Menschen scheitern, erläutert Moser. Wenn sie zum Beispiel ein Anmeldeformular für eine Weiterbildung ausfüllt und am Schluss vor dem Absenden Capture-Bilder mit Ampeln oder Hydranten erkennen muss, war der ganze Aufwand umsonst. Oder wenn die Eingabefelder falsch programmiert sind, erkennt ihr Vorleseprogramm nicht, welche Angaben in welchem Feld gefragt sind.
Daniela Moser kann sich gut vorstellen, später auch noch ein Studium in Angriff zu nehmen. Zurzeit gefällt ihr die Arbeit beim SBV aber noch zu gut, um sie aufzugeben. Zweimal pro Woche pendelt sie vom Emmental mit Postauto, Zug, Tram und zu Fuss nach Bern und wieder zurück. Die anderen beiden Tage arbeitet sie zuhause. In der Freizeit singt sie in zwei Jodelchören, liest gern und geht mit einer Begleitperson regelmässig joggen. Und auch auf die Skipiste wagt sie sich in Begleitung: „Das ist sehr cool. Ich freue mich auf den Winter.“