Ergänzungen zur Eingabe vom 31.08.2016 aufgrund des Gesprächs mit dem SBFI vom 04.11.2016
Thema: Menschen mit Behinderungen und ihr Zugang zur Weiterbildung
Gesetzliche Grundlagen
Gemäss Bundesverfassung Art. 8 Rechtsgleichheit darf niemand diskriminiert werden „wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung … Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor“.Gemäss Behindertengleichstellungsgesetz Art. 1.2 gilt das auch in Bezug auf die Aus- und Weiterbildung: „Es setzt Rahmenbedingungen, die es Menschen mit Behinderungen erleichtern,….. sich aus- und weiterzubilden…“.
Nach Weiterbildungsgesetz Art. 8 soll zudem der Bund in der Weiterbildung gemeinsam mit den Kantonen „Voraussetzungen schaffen, die allen Personen die Teilnahme an Weiterbildung ermöglichen“. Dazu sind Bund und Kantone „bestrebt, mit der von ihnen geregelten und unterstützten Weiterbildung insbesondere: …den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen Rechnung zu tragen“.
Die UN-Behindertenrechtskonvention UN-BRK, welche von der Schweiz am 15.04.2014 ratifiziert hat, hält Art.24.5 fest: „Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden.
Erschwerter Zugang
Es gibt verschiedene Gründe, warum Personen mit Behinderungen einen erschwerten Zugang zur Weiterbildung haben:
a) Das kann an den äusseren Bedingungen liegen. Kurse finden an Orten und in Räumen statt, die von Personen mit Behinderungen nur schwer erreichbar oder nutzbar sind;
b) Die Dozierenden/die Bildungsanbieter verfügen über mangelndes Wissen, wie eine Weiterbildung gestaltet und vorbereitet werden muss, damit die Personen mit und ohne Behinderungen gewinnbringend daran teilnehmen können.
c) Es fehlt an öffentlich zugänglichen Angeboten öffentlichen Angebote, die darauf hinweisen, dass sie auch für Personen mit Behinderungen zugänglich sind.
Erwartete Leistungen von den Organisationen der Weiterbildung
Im Grundsatz wird von den Organisationen der Weiterbildung Leistungen in drei Hinsichten erwartet. Sie sollen
a) die Öffentlichkeit über Themen der Weiterbildung informieren und Massnahmen zur Sensibilisierung für lebenslanges Lernen durchführen;
b) Koordinationsleistungen, die das Weiterbildungssystem stärken, namentlich im Rahmen von Netzwerken, erbringen;
c) Massnahmen zur Qualitätssicherung und –entwicklung der Weiterbildung von überwiegendem öffentlichem Interesse umsetzen.
Im hier beschriebenen Leistungskatalog zum Thema „Menschen mit Behinderungen und ihr Zugang zur Weiterbildung“ werden alle drei Hinsichten berücksichtigt.
Was will Travail.Suisse Formation TSF mit ihren Leistungen erreichen?
Grundsätzlich geht es darum, dass Personen mit Behinderungen einen besseren Zugang zur öffentlichen Weiterbildung haben. In einer ersten Phase stehen dabei Personen im Vordergrund, welche Sehprobleme haben. Die Bildungsanbieter sollen darüber informiert sein, was sie vorkehren müssen, dass an ihren Bildungsveranstaltungen sowohl sehbehinderte wie auch nicht-sehbehinderte Personen gewinnbringend teilnehmen können. Dieses Wissen soll sie dabei motivieren, konkrete Weiterbildungsangebote auszuarbeiten und anzubieten.
Vorgehen
Phase 1: Erarbeitung von Grundlagen
- In einer ersten Phase geht es darum, die Grundlagen zu diesem Thema zu erarbeiten. Dazu gehören folgende Elemente:
- Die Grundlagen einer inklusiven Weiterbildung erarbeiten
- Die Schwierigkeiten von sehbehinderten Personen beim Zugang zur Weiterbildung dokumentieren – Erfahrungen von sehbehinderten Personen/ Erfahrungen von Bildungsanbietern
- Best-practice-Modelle beschreiben
- Erstellen eines Kriterienkatalogs (dt./frz./ital.), der darüber Auskunft gibt, was ein Weiterbildungsanbieter für Massnahmen ergreifen muss, damit eine sehbehinderte Person erfolgreich an einer Weiterbildung teilnehmen kann. Diskussion des Kriterienkatalogs mit der Begleitgruppe.
Als Ergebnis liegt ein umfangreicher Grundlagenbericht vor, der die Grundlage für die Arbeit in der Phase 2 und 3 bildet.
In der Phase 1 ist zudem ein Netzwerk von Organisationen aufzubauen, welche dank ihrem Wissen und ihren Erfahrungen mithelfen können, die obigen Aufgaben zu lösen. Dazu gehören
- Blindenorganisationen (der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband SBV hat die Mitarbeit schon zugesichert)
- Inclusion Handicap, der Dachverband der Behindertenorganisationen
- Weiterbildungsanbieter, insbesondere Grossanbieter wie die Migros Klubschulen und die Volkshochschulen etc.
- Weiterbildungsanbieter, welche über Erfahrungen mit Sehbehinderten haben: Schweizerische Caritasaktion der Blinden, Schweizerischer Blindenbund, Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband, evtl. auch Hochschulen
- VertreterInnen von Bund und Kantonen IKW, welche gemäss Weiterbildungsgesetz bestrebt sein sollen, „mit der von ihnen geregelten und unterstützten Weiterbildung insbesondere: …den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen Rechnung zu tragen“.
All diesen Organisationen ist das Anliegen in persönlichen Besuchen näherzubringen und sie für die Mitarbeit zu gewinnen.
Als Ergebnis liegt ein Netzwerk von Organisationen vor, welche bereit sind, sich im Thema zu engagieren
Die Erarbeitung der Grundlagen soll soweit sinnvoll und nötig auch in der ersten Phase mit Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Geplant sind
- pro Jahr mindestens vier Artikel im Mediendienst von Travail.Suisse
- der Aufbau einer barrierefreien Homepage zum Thema
- Infoarbeit auf den sozialen Medien
- der Kontakt zu ausgewählten Medienschaffenden, welche sich mit Themen zur Behindertengleichstellung beschäftigen
Ergebnis: Dank diesen Arbeiten ist eine Basis geschaffen für die Arbeit in Phase 3.
Phase 2: Durchführung von Pilotprojekten
Mit Hilfe von einer Handvoll Pilotprojekten soll der Kriterienkatalog auf seinen Nutzen und seine Anwendbarkeit hin überprüft werden. Dazu sind
- Weiterbildungsanbieter zu gewinnen, die einen ihrer Kurse gemäss den Vorgaben des Kriterienkatalogs planen und durchführen.
- die verantwortlichen Kursleitenden zu schulen
- die Kurse mit den Beteiligten zu evaluieren.
Das Ergebnis ist ein korrigierter/ergänzter Kriterienkatalog für die Organisation von Weiterbildungen, an denen Personen mit Sehbehinderungen und ohne Sehbehinderungen erfolgreich teilnehmen können.
Phase 3: Umsetzung und Sensibilisierung
In der dritten Phase geht es um die Umsetzung der Ergebnisse des Grundlagenberichts. Dazu gehören
- eine nationale Tagung zum Thema, in der die Ergebnisse des Grundlagenberichts vorgestellt und diskutiert werden
- sprachregionale Workshops zum Thema, in denen die Ergebnisse des Grundlagenberichts darauf hin befragt werden, wie sie in den Alltag umgesetzt werden können
- der Aufbau von sprachregionalen Plattformen zwischen Bildungsanbietern und Behindertenorganisationen zum Schaffung von öffentlichen Weiterbildungen, an denen auch Personen mit Sehbehinderungen teilnehmen können
- Öffentlichkeitsarbeit durch Travail.Suisse Formation unter Einbezug auch der Kanäle der Netzwerkpartner, der sozialen Medien und der ausgewählten Medienschaffenden, welche sich mit Themen zur Behindertengleichstellung beschäftigen
- Durchführung einer Medienkonferenz zum Thema.
Als Ergebnis liegt ein nachhaltiges Angebot von öffentlichen Weiterbildungskursen vor, an denen Personen mit Sehbehinderungen erfolgreich teilnehmen können.
Phase 4: Evaluation
In der vierten Phase soll eine Evaluation durchgeführt werden, die insbesondere Auskunft geben soll über den
- Input (Angaben über die Ressourcen, welche in das Projekt investiert wurden)
- Output (Angaben über konkreten Leistungen, die das Projekt erbracht hat)
- Outcome (Angaben über die eingetretenen Veränderungen bei den Zielgruppen).
In eingeschränktem Masse sollen auch Auskünfte gegeben werden über einen möglichen Impact (Angaben über die Veränderungen in der Gesellschaft) des Projektes.
Als Ergebnis liegt eine aussagekräftige Evaluation vor, welche wichtige Informationen für weitere Projekte in diesem Themenfeld enthält.
Phase 5: Anwendung der Erkenntnisse auf eine neue Gruppe von Personen mit Behinderungen
Nach dem Abschluss dieses ersten Projektes ist die Frage zu stellen, für welche Zielgruppe ein ähnliches Projekt aufgebaut werden soll.